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Potenziale und Einsatzmöglichkeiten von Kleinwindanlagen und Hybridsystemen

Große Windanlagen sind mittlerweile etablierte Technologien im Rahmen der Energiewende und großflächig im Einsatz. Häufig vernachlässigt werden kleine Windenergieanlagen, die in Verbindung mit Speichern und Solaranlagen einen maßgeblichen Anteil zur Stromversorgung aus erneuerbaren Quellen beitragen können. Wichtige Impulse für die Branche will die EnergyDecentral liefern.

Das stürmische Wetter zu Beginn des Jahres hat für einen neuen Rekord in der regenerativen Stromerzeugung gesorgt: Windenergieanlagen an Land und auf See erzeugten im Februar insgesamt 21 Milliarden Kilowattstunden Strom. Davon entfielen 18.000 Gigawattstunden auf Windenergie an Land. Zu diesem Ergebnis kommen die Berechnungen des Zentrums für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) und des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW). „Windenergieanlagen haben im Februar in etwa so viel Strom erzeugt, wie sieben Millionen Haushalte in einem ganzen Jahr verbrauchen. Das zeigt, welches Potenzial in der Windenergie liegt“, sagt Kerstin Andreae, Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung. „Die sinkenden Gasflüsse aus Russland haben die Energieversorgung in eine Ausnahmesituation gebracht. Der sicherste Weg, solche Situationen in Zukunft zu vermeiden, ist ein zügiger Ausbau der Erneuerbaren Energien. Sie sind der Schlüssel zu einer grünen Strom- und Wärmeversorgung, einer mit Wasserstoff produzierenden Industrie und einer klimaneutralen Mobilität“, so Andreae, die vor allem beim Ausbau der Windenergie an Land dringenden Handlungsbedarf sieht.

Die "kleine" Lösung für die Windenergie

Aktuell geht der Trend bei Windenergieanlagen infolge des hohen Preisdrucks vor allem in Richtung größere, intelligentere und effizientere Anlagen. Was "onshore" oder "offshore" bei der Umwandlung von Wind in elektrische Energie Stand der Technik ist, zeigt die EnergyDecentral vom 15. bis 18. November 2022. Vor Ort in Hannover informiert die Branche über ihre neuen Produkte und diskutiert die aktuellen Branchentrends. Im Zentrum des Interesses stehen dabei auch Anlagen mit geringerer Höhe, sogenannte Kleinwindenergieanlagen (KWEA), die insbesondere Landwirten und Gewerbebetreibern das Potenzial erneuerbarer Energien erschließen sollen. Marcus Vagt sieht hier ein hohes Interesse, denn: „Die weltweite Bedeutung der Kleinwindanlagen wird bisher unterschätzt. Das Marktpotenzial ist riesig, die Einsatzmöglichkeiten sind vielfältig“, erklärt der Projektleiter der EnergyDecentral. Gemäß der Kriterien des Bundesverbandes Windenergie fallen grundsätzlich alle Anlagen bis 100 Kilowatt Generator-Nennleistung in diese Kategorie. Abweichend davon definiert die internationale Norm IEC 61400-2:2006 (IEC 2006) Anlagen bis zu einer vom Rotor überstrichenden Fläche von 200 Quadratmeter als Kleinwindenergieanlage, was einer Nennleistung von rund 60 bis 70 Kilowatt entspricht. Unterschreiten die Anlagen eine Gesamthöhe von 50 Meter gelten sie als nicht raumbedeutsam, sodass lediglich eine Baugenehmigung erforderlich ist. Die meisten Kleinwindräder hierzulande gehen deshalb nicht über eine Nennleistung von 30 Kilowatt hinaus, wobei die Masthöhe maximal etwa 40 Meter erreicht.

Derartige Anlagen werden in land- und forstwirtschaftlichen Betrieben häufig parallel zum Netz betrieben. Dort übernehmen sie die Stromversorgung der Gebäude bei gleichzeitiger Einspeisung in das öffentliche Stromnetz. „Selbst wenn eine Vergütung des überschüssigen Windstroms möglich ist, liegt der Schwerpunkt der Stromnutzung im Eigenverbrauch“, betont Vagt. Die Rentabilität einer Kleinwindanlage wird vor allem von den Stromgestehungskosten bestimmt, die wiederum in erster Linie vom örtlichen Windangebot abhängig sind: Je höher die Windenergieanlage und je länger die Rotorblätter, desto besser kann die Anlage das Windenergieangebot ausnutzen – und desto günstiger die Kilowattstunde. Im Vorfeld einer Investition stellt sich vor allem eine Frage: Für wie viel Cent pro Kilowattstunde lässt sich der Strom erzeugen und was spart der Betrieb gegenüber dem zugekauften Strom? Im Mittelpunkt der Experten-Talks, Live-Events und Fachforen auf der EnergyDecentral stehen deshalb nicht zuletzt auch Aspekte rund um die finanzielle Förderung und Beschleunigung von Genehmigungsverfahren.

Hybridsysteme zur Maximierung der Eigenversorgung

An einem windstarken Küstenstandort kann eine Kleinwindkraftanlage mit zehn Kilowatt Nennleistung durchaus 25.000 Kilowattstunden Strom erzeugen – und damit mehr als doppelt so viel, wie eine vergleichbare Photovoltaikanlage. Das bedeutet aber auch: Weht wenig Wind, wird wenig Strom erzeugt. Nicht jeder Landwirt betreibt seinen Hof an solch einem windstarken Standort. Um die Zuverlässigkeit der Versorgung in windarmen Regionen und im Binnenlandstand zu erhöhen, kommen Hybridsysteme zum Einsatz, die neben der Windkraft auch Photovoltaik mit Stromspeicher umfassen. Die gewonnene Energie wird dabei über ein intelligentes Energiemanagementsystem auf alle Sektoren des Energiebedarfs aufgeteilt. Vor allem für ältere Photovoltaik-Anlagen, bei denen die EEG-Förderung nach 20 Jahren Einspeisung ausläuft, ist die Kleinwindkraft eine lukrative Ergänzung in sonnenschwachen Monaten.

Standard sind als Luv-Läufer ausgelegte Anlagen, bei denen sich der Rotor auf, der dem Wind zugewandten Seite befindet. Sie verfügen über einen dynamischen Dreiblatt-Rotor, der mit einem Drei-Phasen-Direktantriebsgenerator verbunden ist. Der getriebelose Antriebsstrang ohne Spannungsverstärker ermöglicht es, die Energieverluste gering und die Lärmemission niedrig zu halten. Moderne Anlagen mit einer Nennleistung von zehn bis 30 Kilowatt sind optimal auf die Anforderungen an Windenergieanlagen zur Eigenstromversorgung angepasst. Sie verfügen zudem über ein cloudbasiertes Fernüberwachungs- und Kontrollsystem, welches rund um die Uhr Zugriff auf aktuelle und historische Betriebsparameter gewährt. Neben der Möglichkeit der Fernabschaltung sowie des Neustarts der Anlage, lassen sich die aktuellen Wetterdaten abrufen. Der Zugriff auf die Systeme ist jederzeit vom Desktop, vom Mobiltelefon oder via Tablet möglich. Die schlüsselfertigen Basisanlagen dieser Leistungsklasse sind so ausgelegt, dass sie durch optionale Zusatzpakte schwarzstartfähig sind und im Inselnetz betrieben werden können.

Leichte Rotoren sorgen für mehr Effizienz

Der Blick auf die Lösungen der EnergyDecentral zeigt: Stand der Technik sind Windanlagen mit horizontalen Rotorachsen, wie sie ebenso für Großanlagen in Windparks zum Einsatz kommen. Fast alle bisher nach IEC 2006 zertifizierten Kleinwindanlagen folgen dieser Bauweise, die in punkto Effizienz und Ertragsstärke bei vielen Experten als das Nonplusultra gilt. Effizientere Rotoren zählen dabei zu den Schlüsseltechnologien der Windenergie. Neu im Angebot der Aussteller sind Lösungen speziell für windarme Regionen, die bereits ab Windgeschwindigkeiten unterhalb vom drei Metern pro Sekunde anlaufen.

Ein Thema, mit dem sich Prof. Holger Seidlitz beschäftigt, Leichtbauspezialist an der BTU Cottbus-Senftenberg und Leiter des Forschungsbereichs "Polymermaterialien und Composite PYCO" am Fraunhofer-Institut für Angewandte Polymerforschung IAP in Wildau. Zusammen mit seinem Team und einem mittelständischen Kooperationspartner entwickelt er derzeit eine Windanlage. „Die Stärke des Konzepts besteht vor allem darin, dass das ganze System klein und trotzdem sehr effizient ausgelegt ist“, betont Seidlitz. Das fängt beim Windrad an. Die Leichtbauexperten haben einen neuen Rotor konzipiert, der sich bereits bei einer schwachen Brise in Bewegung setzt. „Hier in der Lausitz weht der Wind sehr viel schwächer als in Norddeutschland“, erläutert Maschinenbau-Ingenieur Marcello Ambrosio, der das Projekt am Fraunhofer IAP betreut. „Wir haben das Design der Rotorblätter daran angepasst und ihre Masse im Vergleich zu herkömmlichen Kleinwindanlagen um rund 30 Prozent verringert.“ Dank seiner Faserverbundwerkstoffe hält der Rotor auch Starkwinden stand. Die Blätter sind so beschaffen, dass sie sich bei Sturm elastisch verbiegen und aus dem Wind drehen. „Damit drosselt die Anlage von allein die Rotationsgeschwindigkeit und nimmt keinen Schaden“, betont Seidlitz. Auf komplizierte Steuertechnik und aufwändige Mechanik kann damit verzichtet werden. Gegenwärtig werden die Rotoren im Freiland getestet. Im Vergleich mit herkömmlichen Kleinwindanlagen sollen sie zeigen, was in ihnen steckt.

Regenerative Energien in voller Breite und Tiefe

Die Erzeugung von Strom aus Windenergieanlagen wird die Energiewende in den nächsten Jahren nicht nur in Deutschland maßgeblich prägen. Für das Stromsystem ergeben sich daraus gänzlich neue Herausforderungen, die längst nicht mit der Installation und dem Betrieb der Windkraftanlagen enden. Vom 15. bis 18. November 2022 werden auf der EnergyDecentral Innovationen zum Thema Off- und Onshore-Windenergie mitsamt der Vorstellung von Geschäftsmodellen sowie den Finanzierungsmöglichkeiten gezeigt. Zusammen mit der EuroTier verwandelt sich das Messegelände in Hannover in einen Schauplatz für innovative und zukunftsweisende Technologien rund um die dezentrale Energieerzeugung.